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„Sonderurlaub“ für den Arbeitnehmer (vorübergehende Verhinderung des Arbeitnehmers an der Arbeitsleistung)

von STEN RIEPER

 

Was kann ein Arbeitnehmer tun, wenn er heiraten möchte, wenn er vor Gericht als Zeuge aussagen muss oder ein erkranktes sorgeberechtigtes Kind betreuen muss („Kind-Krank“) und deshalb nicht arbeiten kann. Hat der Arbeitnehmer in diesen Fällen, in denen er nicht arbeitet, einen Gehaltsanspruch?

 

Der Arbeitnehmer ist hier nicht selbst erkrankt und es liegt auch kein Erholungsurlaub vor, so dass der Arbeitnehmer keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung wegen Arbeitsunfähigkeit oder wegen Urlaubs hat.

 

1. Heirat

Wenn der Arbeitnehmer etwa heiraten möchte, und der Arbeitnehmer daher am Tag der Eheschließung seine Arbeitsleistung nicht erbringen kann, behält der Arbeitnehmer  seinen Gehaltsanspruch für diesen Tag trotzdem obwohl er nicht arbeitet. Denn gemäß § 616 BGB verliert der Arbeitnehmer seinen Gehaltsanspruch dann nicht, wenn er durch einen in seiner Person liegenden Grund aber ohne sein Verschulden an der Arbeitsleistung für einen verhältnismäß nicht erheblichen Zeitraum gehindert ist.

 

§ 616 BGB kann allerdings im Arbeitsvertrag abbedungen werden, was im Einzelfall zu prüfen ist.

 

2. "Kind-Krank"

Wenn der Arbeitnehmer ein erkranktes sorgeberechtigtes Kind betreuen muss, verliert der Arbeitnehmer seinen Gehaltsanspruch auf Grund des § 616 BGB für einen verhältnismäßig nicht erheblichen Zeitraum ebenfalls nicht. Wie lang genau dieser „verhältnismäßig nicht erhebliche“ Zeitraum ist, muss in jedem Einzelfall geprüft werden.

 

Da der Arbeitnehmer sich gemäß § 616 BGB jedoch den Betrag anrechnen lassen muss, welcher ihm für die Zeit der Verhinderung aus einer auf Grund gesetzlicher Verpflichtung bestehenden Kranken- oder Unfallversicherung zukommt, kann es in diesem Fall in der Praxis zuweilen Sinn machen, sich zunächst direkt an die Krankenkasse zu wenden und den Anspruch gemäß § 616 BGB gegenüber dem Arbeitgeber garnicht geltend zu machen. Welcher Weg letztlich der Beste ist, muss in jedem Einzelfall geprüft werden.

 

3. Zeugenaussage

Und wie verhält es sich wenn der Arbeitnehmer vor Gericht als Zeuge aussagen muss?

 

Wenn der Arbeitnehmer an dem Tag arbeiten muss und daher in dieser Zeit mangels Erbringung der Arbeitsleistung keinen Gehalt bekommt und somit einen Verdienstausfall hat, wird auch dieser Verdienstausfall grundsätzlich vom Arbeitgeber nach § 616 BGB ersetzt. Der Arbeitnehmer hat dann also auch in diesem Fall keinen Verdienstausfall. Vorausgesetzt natürlich, dass § 616 BGB nicht abbedungen wurde.

 

Wenn § 616 BGB im Arbeitsvertrag abbedungen wurde, erfolgt eine Zeugenentschädigung durch das Gericht nach den Bestimmungen des JVEG, denn dann entsteht dem Arbeitnehmer ja tatsächlich ein Verdienstausfall. Die Entschädigung erfolgt dann aber auch nur in Höhe der im JVEG gemachten Vorgaben. Der Arbeitnehmer bleibt in diesem Fall also möglicherweise (teilweise) auf Arbeitsverdienst sitzen. Der Ausgleich über das JVEG ist in der Höhe begrenzt, da es sich um eine sogenannte „staatsbürgerliche Ehrenpflicht“ handelt. Im JVEG selbst heißt es in § 22 hierzu „Zeugen, denen ein Verdienstausfall entsteht, erhalten (...)“.

 

In der Praxis dürften die meißten Arbeitnehmer (und Arbeitgeber) sich dieser Rechtslage aber zumeist gar nicht bewusst sein und von einem Verdienstausfall ausgehen, so dass der Verdienstausfall bei Gericht geltend gemacht wird. Auch seitens des Gerichts scheint eine tatsächliche Prüfung der Arbeitsverträge nicht zu erfolgen. Wenn dann auch der Verdienst innerhalb der vom JVEG vorgegebenen Grenze ist, scheint das Problem gar nicht erst gesehen zu werden.

 

Wenn der Arbeitnehmer wiederum an einem Tag als Zeuge vor Gericht aussagen muss, an welchem er planmäßig frei hat, entsteht kein Verdienstausfall. Allerdings kann der Arbeitnehmer seinen freien Tag dann nicht oder teilweise nicht nutzen. Ist die Zeugenaussage privat veranlasst ist dies nicht weiter von Bedeutung. Ist die Zeugenaussage jedoch beruflich veranlasst, verliert der Arbeitnehmer berufsbedingt seinen eigentlich der Erholung dienenden freien Tag. Dem Arbeitnehmer entsteht hier zwar kein materieller Schaden, aber ein immaterieller Schaden.

 

Die Rechtsprechung ist sich anscheinend nicht einig darin, wie dies zu lösen ist. Die wohl herrschende Ansicht gewährt für diese Zeit jedoch nur die sogenannte Mindestentschädigung des JVEG. Auch wenn der Arbeitnehmer den Tag Urlaub nehmen würde, würde wohl ebenfalls nur die Mindestentschädigung nach dem JVEG gezahlt werden. Ein voller Ausgleich erfolgt nach wohl herrschender Ansicht nicht, da es sich – wie oben bereits erwähnt - um eine sogenannte staatsbürgerliche Ehrenpflicht handelt. Unabhängig ob der Grund für die Zeugenaussage privat oder beruflich ist.

 

Es ist somit davon auszugehen, dass der Arbeitnehmer im letztgenannten Fall keinen vollen Ausgleich des ihm entstehenden Schadens erhalten wird. Obgleich man natürlich nie nie sagen sollte. Die Entwicklung der Rechtsprechung kann selbstverständlich nicht vorausgesehen werden und es ist auch nicht auszuschließen, dass das ein oder andere Gericht anders entscheidet.

 

Arbeitgeber(verbände) und Arbeitnehmer(verbände) haben aber die Möglichkeit eine eindeutige tarifliche Regelung zu treffen.