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Vergütung erforderlicher Reisezeiten von Arbeitnehmern im Aus- und Inland

 von STEN RIEPER

 

Urteil des BAG 5 AZR 553/17 vom 17.10.2018

 

Mit Urteil vom 17.10.2018 hat das Bundesarbeitsgericht festgestellt, dass dann, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer vorübergehend zur Arbeit ins Ausland entsendet, die für Hin- und Rückreise erforderlichen Zeiten wie Arbeitszeit zu vergüten sind.

 

Der klagende Arbeitnehmer war bei einem Bauunternehmen in Deutschland beschäftigt. Im Jahr 2015 wurde er auf eine Baustelle nach China entsandt. Der Arbeitnehmer hat mit der Klage geltend gemacht, dass ihm die gesamte Reisezeit von seiner Wohnung bis zur auswärtigen Arbeitsstelle und zurück wie Arbeit zu vergüten sei.

 

Das Bundesarbeitsgericht hat dahingehend entschieden, dass der Arbeitnehmer Anspruch auf Vergütung der für Hin- und Rückreise zur auswärtigen Arbeitsstelle erforderlichen Zeiten als Arbeit hat und dies mit § 611 BGB begründet. 

 

Die gesetzliche Vergütungspflicht des Arbeitgebers knüpft, so führt das Bundesarbeitsgericht aus, nach § 611 Abs. 1 BGB an die Leistung der versprochenen Dienste an.

 

„Zu den „versprochenen Diensten“ iSd. § 611 Abs. 1 BGB zählt nicht nur die eigentliche Tätigkeit, sondern jede vom Arbeitgeber im Synallagma verlangte sonstige Tätigkeit oder Maßnahme, die mit der eigentlichen Tätigkeit oder der Art und Weise ihrer Erbringung unmittelbar zusammenhängt. „Arbeit“ als Leistung der versprochenen Dienste iSd. § 611 Abs. 1 BGB ist jede Tätigkeit, die als solche der Befriedigung eines fremden Bedürfnisses dient (st. Rspr., vgl. nur BAG 25. April 2018 - 5 AZR 424/17 - Rn. 17 mwN)“ (vgl. Rn 13 des Urteils).

 

„Grundsätzlich erbringt der Arbeitnehmer mit dem - eigennützigen - Zurücklegen des Wegs von der Wohnung zur Arbeitsstelle und zurück keine Arbeit für den Arbeitgeber. Anders ist es jedoch, wenn der Arbeitnehmer seine Tätigkeit außerhalb des Betriebs zu erbringen hat. In diesem Falle gehört das Fahren zur auswärtigen Arbeitsstelle zu den vertraglichen Hauptleistungspflichten, weil das wirtschaftliche Ziel der Gesamttätigkeit darauf gerichtet ist, Kunden aufzusuchen - sei es, um dort Dienstleistungen zu erbringen, sei es, um Geschäfte für den Arbeitgeber zu vermitteln oder abzuschließen. Dazu gehört zwingend die jeweilige An- und Abreise, unabhängig davon, ob Fahrtantritt und -ende vom Betrieb des Arbeitgebers oder von der Wohnung des Arbeitnehmers aus erfolgen (BAG 25. April 2018 - 5 AZR 424/17 - Rn. 18 mwN; im Ergebnis ebenso ErfK/Preis 18. Aufl. § 611a BGB Rn. 516a ff.; MHdB ArbR/Krause 4. Aufl. § 60 Rn. 19; Schaub ArbR-HdB/Linck 17. Aufl. § 45 Rn. 55; Baeck/Deutsch ArbZG 3. Aufl. § 2 Rn. 83)“ (vgl. Rn 14 des Urteils).

 

„Dasselbe gilt für Reisen, die wegen einer vorübergehenden Entsendung zur Arbeit ins Ausland erforderlich sind. Diese sind fremdnützig und damit jedenfalls dann Arbeit im vergütungsrechtlichen Sinn, wenn sie - wie im Streitfall - ausschließlich im Interesse des Arbeitgebers erfolgen und in untrennbarem Zusammenhang mit der arbeitsvertraglich geschuldeten Arbeitsleistung stehen. In diesem Fall gehören - wie die Fahrt des Arbeitnehmers zu und von einer (inländischen) auswärtigen Arbeitsstelle - Hin- und Rückreise bei der vorübergehenden Entsendung ins Ausland zu den vertraglichen Hauptleistungspflichten“ (vgl. Rn 15 des Urteils).

 

Auch hat das Bundesarbeitsgericht ausgeführt was nach seiner Ansicht erforderlich und damit überhaupt zu vergüten ist. So gehört nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts zur erforderlichen und damit zu vergütender Reisezeit auch der mit der Beförderung zwingend einhergehende Zeitaufwand. Bei Flugreisen sollen das etwa die Wegezeiten zum und vom Flughafen sowie die Zeiten für Einchecken und Gepäckausgabe sein.

 

Nicht zur erforderlichen Reisezeit soll hingegen rein eigennütziger Zeitaufwand des Arbeitnehmers im Zusammenhang mit der Reise zählen. Darunter sollen zum Beispiel das Kofferpacken und Duschen fallen.

 

Der Arbeitnehmer muss sich wiederum für den kostengünstigsten Reiseverlauf entscheiden und andernfalls darlegen, weshalb dies auf Grund welcher persönlichen Umstände nicht zumutbar war.

 

Die Frage der Vergütung von Reisezeiten im Falle einer Auslandsentsendung ist seitdem (wohl) im Wesentlichen entschieden. Da das vom Bundesarbeitsgericht veröffentlichte Urteil ausweislich des Leitsatzes aber (anscheinend) nur die Auslandsentsendung regelt bzw. regeln soll, stellte und stellt sich weiterhin die Frage, was denn im Falle einer inländischen Entsendung gilt bzw. gelten soll.

 

Kann das Urteil auch auf Entsendungen im Inland angewendet werden? Muss der Arbeitgeber auch die für Hin- und Rückreise im Inland erforderlichen Zeiten wie Arbeitszeit vergüten? Und zwar unabhängig von der Frage wie der Arbeitnehmer die Reisezeit verbringt, sei es mit Arbeit (bspw. Aktenarbeit) oder nicht (bspw. ausruhen, schlafen).

 

Das Urteil enthält insoweit Anhaltspunkte dahingehend, dass erforderliche Reisezeiten auch im Falle einer Entsendung im Inland als Arbeit zu vergüten sind. Denn auch eine entsprechende inländische Reise wäre fremdnützig und ausschließlich im Interesse des Arbeitgebers und in untrennbarem Zusammenhang mit der arbeitsvertraglich geschuldeten Arbeitsleistung (vgl. Rn 15 des Urteils). Insbesondere die dann folgende Feststellung des Bundesarbeitsgerichts „In diesem Fall gehören – wie die Fahrt des Arbeitnehmers zu und von einer (inländischen) auswärtigen Arbeitsstelle – Hin- und Rückreise bei der vorübergehenden Entsendung ins Ausland zu den vertraglichen Hauptleistungspflichten“ (vgl. Rn 15 des Urteils; Unterstreichung vom Verfasser) dürfte ein Indiz dafür sein.