von STEN RIEPER, Fachanwalt für Arbeitsrecht und IT-Recht
Beschluss des BVerwG 20 F 3/19 vom 05.03.2020
Mit Beschluss vom 05.03.2020 hat das Bundesverwaltungsgericht in einem Verfahren wegen Zugang nach dem Informationsfreiheitsgesetz zu Unterlagen aus einem Verfahren über die Bauartzulassung von Geschwindigkeitsmessgeräten entschieden, dass der Schutz von Geschäftsgeheimnissen nicht nur das Verbot des unbefugten Zugriffs auf den Inhalt von Dateien, die das Geschäftsgeheimnis enthalten, sondern auch bereits die Verhinderung des Zugangs zu äußeren Merkmalen von Dateien (wie Dateiname, Dateiendung, Dateityp, Dateigröße), aus denen sich das Geschäftsgeheimnis ableiten lässt, umfasst.
Zu den nach Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen zählen nach Feststellung des Bundesverwaltungsgerichts alle auf ein Unternehmen bezogenen Tatsachen, Umstände und Vorgänge, die nicht offenkundig sind. § 2 Nr. 1 Buchst. a des Gesetzes zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen (GeschGehG) spreche von einer Information, die weder insgesamt noch in der genauen Anordnung und Zusammensetzung ihrer Bestandteile den Personen in den Kreisen, die üblicherweise mit dieser Art von Informationen umgehen, allgemein bekannt oder ohne Weiteres zugänglich ist und daher von wirtschaftlichem Wert ist. Neben dem Mangel an Offenkundigkeit der zugrunde liegenden Informationen setze ein Geschäfts- oder Betriebsgeheimnis ein berechtigtes Interesse des Unternehmens an deren Nichtverbreitung voraus (§ 2 Nr. 1 Buchst. c GeschGehG). Ein solches Interesse bestehe, wenn die Offenlegung der Informationen geeignet ist, exklusives technisches oder kaufmännisches Wissen den Marktkonkurrenten zugänglich zu machen und so die Wettbewerbsposition des Unternehmens nachteilig zu beeinflussen. Schutzzweck des Betriebs- und Geschäftsgeheimnisses ist die Verteidigung der wirtschaftlichen Stellung des Betroffenen gegenüber den Marktkonkurrenten. Erforderlich ist demnach eine Wettbewerbsrelevanz der offenzulegenden Unterlagen, die darin zum Ausdruck kommen muss, dass die Information Gegenstand von den Umständen nach angemessenen Geheimhaltungsmaßnahmen durch ihren rechtmäßigen Inhaber ist (§ 2 Nr. 1 Buchst. b GeschGehG).
Diese Voraussetzungen hat das Bundesverwaltungsgericht bei den im dortigen Rechtsstreit strittigen Prüfunterlagen eines Bauartzulassungsverfahrens für Geschwindigkeitsmessgeräte grundsätzlich als erfüllt angesehen. Dass es sich hierbei nach bisherigem Verständnis eher um ein technisches Betriebsgeheimnis handeln würde, ändere nach Ansicht des Gerichts auch im neuen Recht an diesem Schutz nichts. Denn der Begriff des Geschäftsgeheimnisses in § 2 Nr. 1 GeschGehG umfasse nicht nur kaufmännische, sondern auch betriebstechnische Informationen. Ein Antragsteller müsse für eine Bauartzulassung detaillierte gerätespezifische Unterlagen, wie Konstruktionszeichnungen, Schaltpläne, Bauteillisten, Platinenlayouts und Bestückungspläne, Erläuterungen des Messprinzips und die Details seiner Umsetzung sowie den Quellcode der Messgerätesoftware, einreichen und offenlegen. Mit den übermittelten Unterlagen wäre ein Konkurrenzunternehmen in der Lage, das jeweilige Gerät komplett nachzubauen. Daher werden sie unter Verschluss gehalten.
Auch Listen von Dateinamen, -typen und -größen einschließlich der zugehörigen Anmerkungen und Erläuterungen betreffen nach Ansicht des Gerichts Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse. Einzelne Dateinamen würden auf Funktionen des Geschwindigkeitsmessgeräts verweisen, deren Vorhandensein offengelegt sei. Ebenso würden Dateiendungen den Schluss auf Programmiersprachen zulassen, die als solche bekannt seien. Schließlich seien auch Dateigrößen zunächst Zahlenwerte, die für sich genommen nicht zwangsläufig auf schutzwürdige Geheimnisse hindeuteten. Die Informationen seien jedoch nicht isoliert, sondern in ihrem Gesamtzusammenhang und ihrem gerätespezifischen Bezug zu sehen und deshalb insgesamt vor einer Offenlegung zu schützen. Denn der Schutz des Geschäftsgeheimnisses umfasse - wie § 4 Abs. 1 Nr. 1 GeschGehG zeige - nicht nur das Verbot des unbefugten Zugriffs auf Dateien, die das Geschäftsgeheimnis enthalten, sondern auch bereits die Verhinderung des Zugangs zu Dateien, aus denen sich das Geschäftsgeheimnis ableiten lässt. Dementsprechend seien auch die äußeren Merkmale von Dateien (wie Dateiname, Dateiendung, Dateityp und Dateigröße oder ähnliche Metadaten) geheim zu halten, die Rückschlüsse auf das Geschäftsgeheimnis zulassen.
Dies betreffe auch die Quellcode-Dateien und den Vergleich der Softwarekomponenten zwischen alter und neuer Version des Geräts. Die Quellcode-Dateien seien für den Endnutzer weder nach Anzahl noch Name noch Größe erkennbar; der Endnutzer der Gerätesoftware könne auch nicht nachvollziehen, in welcher Programmiersprache oder Programmierumgebung diese erstellt wurde. Bereits die Kenntnis der Dateinamen (und der dahinterstehenden Programmbibliotheken) würde in diesem Bereich dem Fachmann weitreichende Schlüsse auf das in das Gerät investierte Know-how erlauben. Die Möglichkeit solcher Folgerungen werde verstärkt, wenn sich über die Kenntnis der Dateiendung die verwendete Programmiersprache erschließen lässt, und wird bis hin zur Erstellung eines Gesamtbilds erweitert, je mehr Dateien offengelegt sind und sich in ihren Informationen miteinander verknüpfen lassen. Schließlich seien auch Informationen über die Größe von Dateien aussagekräftig, weil sich in Kombination mit den Dateinamen Hinweise darauf ergeben, welchen Aufwand der Hersteller betrieben hat, um die mit dem Dateinamen bezeichnete Funktionalität einzufügen.
Vor diesem Hintergrund, so das Gericht, war eine Schwärzung zum Schutz von Betriebsgeheimnissen in der Angelegenheit gerechtfertigt. Die Aufstellungen von Dateien mit Größen- und Typangaben seien so geordnet, detailliert und aussagekräftig, dass nur eine vollständige Schwärzung der Listen- und Tabelleninhalte in Betracht kommt. Teilschwärzungen seien nicht geboten, wenn sie - wie im dortigen Verfahren - nur zu inhaltsleeren und nichtssagenden Restbeständen führen würden.
Gleiches gelte nach Ansicht des Gerichts für die Schwärzung von Namen von geänderten Dateien sowie Listen von Dateien, zum Teil mit Erläuterungen der entsprechenden Funktionalitäten. Betriebsgeheimnisse enthalten auch Beschreibungen und Screenshots zum Quelltext der Gerätesoftware.
Sten Rieper
Fachanwalt für Arbeits- und IT-Recht